Expo 2025 Osaka: Zwischen Zukunfts-Vision und Warteschlangen-Wahnsinn

Die Reise nach Osaka war von einer fast kindlichen Vorfreude geprägt. Eine Weltausstellung! Allein das Wort hat einen magischen Klang. Es verspricht einen Blick in die Zukunft, eine Bühne für die kühnsten Ideen der Menschheit, versammelt an einem einzigen Ort. Das offizielle Motto der Expo 2025, „Designing Future Society for Our Lives“, klang wie eine persönliche Einladung an jeden von uns, darüber nachzudenken, wie wir leben wollen. Die Veranstalter sprachen von einem „People’s Living Lab“, einem riesigen Experimentierfeld, auf dem die Gesellschaft von morgen schon heute erlebbar werden sollte. Ich war bereit, mich auf dieses Experiment einzulassen, neugierig auf die Antworten, die 158 Nationen auf die drängenden Fragen unserer Zeit geben würden.

Ich stieg aus der U-Bahn auf der künstlichen Insel Yumeshima, das Ticket in der Hand, bereit für eine Flut von Innovationen, für Roboter, fliegende Autos und nachhaltige Städte. Ich hatte keine Ahnung, dass das größte Experiment, an dem ich teilnehmen würde, eines in menschlicher Geduld sein würde.

Der Albtraum der endlosen Schlange am ersten Tag

Der erste Eindruck war nicht der einer glänzenden Zukunft, sondern der einer schier endlosen Menschenmasse. Die Energie und Vorfreude, die ich mitgebracht hatte, zerschellten an der Realität einer monströsen Warteschlange, die sich schon Stunden vor dem Einlass gebildet hatte. Die Organisatoren hatten im Vorfeld vollmundig eine „line-free Expo“ versprochen, eine Weltausstellung ohne Anstehen. Was für eine Farce. Schon am Eröffnungstag brachen die Systeme zusammen: Die offizielle App, über die man Reservierungen vornehmen sollte, war unbrauchbar, das WLAN überlastet und die Mobilfunknetze an ihre Grenzen gebracht, sodass viele Besucher nicht einmal ihre digitalen Tickets vorzeigen konnten.
Ich stand also da, inmitten tausender anderer, und sah zu, wie die Zeit verstrich. Als ich es endlich auf das Gelände geschafft hatte, war der Tag gefühlt schon halb vorbei und jede Chance auf eine Reservierung für einen der beliebten Pavillons dahin. Die Schlangen vor den Eingängen der Länder, die keine Reservierung verlangten, waren so absurd lang, dass die Mitarbeiter sie bereits geschlossen hatten. Mein erster Tag auf der Weltausstellung, die die Zukunft gestalten soll, bestand also darin, keinen einzigen Pavillon von innen zu sehen.

Stattdessen unternahm ich einen sehr ausgedehnten Spaziergang der Enttäuschung. Es war wie der Besuch eines riesigen, sündhaft teuren Architekturparks, bei dem die eigentlichen Exponate nur noch Fassade waren. Ich schlenderte am gewaltigen „Grand Ring“ entlang, einer beeindruckenden Holzkonstruktion, die als das größte Holzgebäude der Welt gilt und alle Pavillons miteinander verbinden soll. Ironischerweise fühlte ich mich von allem komplett getrennt. Die Pavillons waren uneinnehmbare Festungen, Symbole einer Zukunft, an der ich nicht teilhaben durfte. Das „People’s Living Lab“ hatte sich in ein Echtzeit-Experiment über Massenfrustration verwandelt, und ich war mittendrin. Der Tag endete, wie er begonnen hatte: mit Warten. Nur diesmal auf das Feuerwerk und die Lichtshow am Abend.

Magie unter dem Mitternachtsregenbogen

Nach einem Tag voller Frust fühlte sich mein reservierter Platz für die abendliche Show „Under the Midnight Rainbow“ wie ein Lottogewinn an. Und hier, am Water Plaza, löste die Expo endlich ihr Versprechen von Staunen und Magie ein. Es war, als hätte man die gesamte Kompetenz, die bei der Organisation des Tagesbetriebs fehlte, in diese eine Show gesteckt.

Auf einer gigantischen Wasserbühne von fast 9.000 Quadratmetern entfaltete sich ein Spektakel, das mir den Atem raubte. Rund 300 Fontänen tanzten im Takt der Musik der weltberühmten Komponistin Yoko Kanno, während Laserstrahlen den Nachthimmel durchschnitten und Feuerbälle von der Wasseroberfläche aufstiegen. Die Show erzählte die poetische Geschichte des Kindes „Ao“ und des mysteriösen Vogels „Dodo“, die auf einer mythischen Insel die Verbindung allen Lebens durch Luft und Wasser feiern. Es war eine perfekt choreografierte Symphonie aus Licht, Wasser und Klang, entwickelt von den japanischen Konzernen Suntory und Daikin in Zusammenarbeit mit der französischen Event-Firma ECA2, die für ihre Weltklasse-Inszenierungen bekannt ist. Dieser Moment war perfekt. Er war organisiert, wunderschön und zugänglich. Und genau das machte die Enttäuschung über den Rest des Tages noch größer. Es war der Beweis dafür, dass die Expo in der Lage war, Weltklasse-Erlebnisse zu schaffen, solange sie von oben herab kontrolliert und durchgeplant waren. Sobald es aber um die dynamische, unvorhersehbare Bewegung von Menschen ging – das eigentliche Herz einer Weltausstellung – versagte das System auf ganzer Linie. Man sieht also sehr deutlich die Schwächen von Micromanagement!

Die “Scheiß drauf”-Strategie und ihre überraschenden Erfolge

Am zweiten Tag wachte ich mit einer neuen Einstellung auf. Der strategische Versuch, die kürzesten Schlangen zu finden, war gescheitert. Mein neuer Plan war simpel und entsprang einer gewissen Resignation: „Ach scheiß drauf, ich stelle mich jetzt irgendwo an.“ Ich wählte eine Schlange, die machbar aussah, und beschloss, einfach auszuharren, komme, was wolle. Und siehe da, diese Kapitulation vor dem Chaos war der Schlüssel zum Erfolg.

Ich schaffte es endlich, einen Fuß in einen Pavillon zu setzen. Und dann noch einen, und noch einen. Am Ende des Tages hatte ich die Welten von Singapur, Korea, den USA und Armenien von innen gesehen. Die Frustration des Vortages wich langsam einer neuen Neugier. Ich war endlich drin.

Lichtblicke der Zukunft: Wo die Expo ihr Versprechen hielt

Nachdem die erste Hürde genommen war, offenbarte die Expo doch noch einige der versprochenen Zukunftsvisionen. Besonders zwei Länder blieben mir im Gedächtnis, weil sie nicht nur Technologie zeigten, sondern eine tiefere, menschliche Philosophie für die Zukunft präsentierten.

Singapur – Die Traumkugel einer Stadt im/aus Grünen

Der Pavillon von Singapur war eine architektonische Offenbarung. Unter dem Namen „The Dream Sphere“ hatte der Stadtstaat seinen Spitznamen „The Little Red Dot“ in eine riesige, schimmernde Kugel verwandelt. Die Fassade bestand aus Tausenden von „Dream Discs“ – kleinen, runden Plättchen aus recyceltem Aluminium, die an japanische Ema-Wunschtafeln erinnern und die kollektiven Träume und Hoffnungen der Menschen symbolisieren sollen. Im Inneren wurde die Vision einer „City in Nature“ greifbar. Man wanderte durch einen üppigen, mehrstöckigen „Dream Forest“, der die nahtlose Integration von Natur und urbanem Raum demonstrierte. Hier wurde nicht nur eine Stadt der Zukunft gezeigt, sondern eine lebenswerte Gesellschaft, in der Nachhaltigkeit und Lebensqualität im Mittelpunkt stehen. Es war eine greifbare, inspirierende Antwort auf die Frage, wie wir in Zukunft zusammenleben wollen.

Armenien – Lernen, wie es sein sollte

Noch überraschender war der Beitrag Armeniens. Ich erwartete Folklore, bekam aber eine der spannendsten Visionen für die Bildung der Zukunft. Ihr „interessenorientiertes Lernmodell“ entpuppte sich als das Konzept des TUMO Center for Creative Technologies, einer außerschulischen Bildungseinrichtung, in der Jugendliche kostenlos und selbstgesteuert ihre Leidenschaften in Bereichen wie Programmierung, Design, Robotik oder Film entdecken können. Der Pavillon zeigte eindrucksvoll, wie dieses Modell funktioniert: Anstatt starren Lehrplänen zu folgen, werden die Schüler zu Schöpfern. Ich musste unweigerlich an die Lehrer in meiner Familie denken und überlegen, was sie wohl zu einem System sagen würden, das so sehr auf Eigenverantwortung und Kreativität setzt, anstatt auf das sture Auswendiglernen von Lehrbuchseiten. Ein kleiner Denkanstoß, den ich bei der nächsten Familienfeier mal fallen lassen muss. Ein konkretes Projekt nutzte künstliche Intelligenz, um das digitale Archiv armenischer Kulturdenkmäler nicht nur zu bewahren, sondern kreativ neu zu interpretieren und so eine Brücke zwischen uraltem Erbe und modernster Technologie zu schlagen. Dass dieses Modell so erfolgreich ist, dass bald der erste Ableger in Japan eröffnet wird, zeigte, dass dies keine bloße Theorie, sondern gelebte Praxis ist.

Die Deutsche Blamage: Im eigenen Haus nicht willkommen

Nach den positiven Erlebnissen des Tages steuerte ich voller Neugier und, ja, auch mit einem Funken patriotischem Stolz auf den deutschen Pavillon zu. „Wa! Germany“ lautete der Name – wobei „Wa“ im Japanischen für Kreis (輪), Harmonie (和) und ein erstauntes „Wow“ (わ) stehen soll. Das Thema: die Kreislaufwirtschaft. Ein passendes, wichtiges Thema, verpackt in einem einladenden Namen. Dachte ich. Der erste Schlag ins Gesicht war ein Schild. Kein Wort Deutsch. Ich stand vor dem offiziellen Vertreter meines Landes auf einer Weltausstellung und wurde nicht in meiner Muttersprache angesprochen.
Doch diese Ignoranz war nur der Anfang. Als wäre das nicht schon peinlich genug, wurde mir als deutschem Staatsbürger der Zugang zur Schlange komplett verwehrt. Während gefühlt jede andere Nation ihre eigenen Leute mit Pass bevorzugt behandelt oder zumindest normal einreiht, stand ich als Deutscher vor einer verschlossenen deutschen Tür. In diesem Moment fühlte es sich an, als wäre die absurde Logik, dass in Deutschland jeder Rechte hat, außer die Deutschen selbst, der größte deutsche Exportschlager geworden. Weil man sonst ein Nazi ist, nehme ich an ?

Ein Pavillon, der „Harmonie“ im Namen trägt, schuf bei mir nur Dissonanz und Wut. Ein Konzept, das auf dem „Kreis“ basiert, war an Exklusivität nicht zu überbieten. Ich wurde aus dem Kreis ausgeschlossen. Diese Erfahrung war nicht nur eine organisatorische Panne, sie fühlte sich an wie eine bewusste politische Aussage. Ein Symbol für einen nationalen Selbsthass, der mir unbegreiflich ist.

Fazit: Weltausstellung oder Welt-Anstellung?

Was bleibt also nach zwei Tagen auf der Expo 2025? Ein Gefühl der Zerrissenheit. Auf der einen Seite die völlige organisatorische Katastrophe, die den ersten Tag zur Qual machte. Auf der anderen Seite die hart erkämpften, aber wirklich inspirierenden Momente in den Pavillons von Singapur und Armenien. Die Magie der Lichtshow gegen das Elend der Warteschlangen. Die visionären Ideen für die Zukunft gegen die bittere Enttäuschung über die deutsche Repräsentation.
War es das wert? Wenn ich ehrlich bin, nein. Der Preis für das Ticket, die verschwendete Zeit und die immense Frustration stehen in keinem Verhältnis zu den wenigen Lichtblicken. Meine Erfahrung lässt sich am besten mit meinem eigenen Zitat zusammenfassen: Das hier war keine Weltausstellung, das war ein maßlos überteuerter Street Food Market, für den man auch noch Eintritt zahlen muss. bzw, Das kann selbst Wacken besser!

Die Expo in Osaka mag mit dem Ziel angetreten sein, die Gesellschaft der Zukunft zu entwerfen, aber sie ist an den fundamentalsten Grundlagen der Gegenwart gescheitert: Gastfreundschaft, Organisation und Respekt vor der Zeit der Besucher. Und der deutsche Pavillon hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt, indem er nicht nur seine Besucher, sondern vor allem seine eigenen Bürger im Regen stehen ließ. Eine Blamage für Deutschland und den Gastgeber Japan.

Was sagt ihr dazu? Hattet ihr ähnliche Erlebnisse auf großen Events? Ich bin gespannt auf eure Kommentare.

DO3EET

Ich bin Frank. Ein Informatiker und Funkamateur aus Deutschland. Außerdem reise ich gern nach Japan.


By Frank Tornack, 2025-08-26